1960 - Aufbauplan

Die Linienführung der Hochbahn kann auf diesem Plan ihre Herkunft aus den Überlegungen von 1955 zur Neuordnung des Hamburger Stadtverkehrs nicht verleugnen. Ein Datum ist auf dem Aufbauplan selbst nicht genannt, er müsste aber aus dem Jahr 1960 stammen. Der Umfang der neuen Linien ist zwar etwas reduziert, folgt aber in vielen Details noch den Regelungen von 1955. Auf dem Aufbauplan sind die Linien nicht mehr mit Nummern bezeichnet, später aind in der Literatur Linienbezeichnungen mit Buchstaben bekannt, die aus den Planungsbezeichnungen der Baubehörde herrühren. 

Exakt dieser Plan wurde auch in Heft 1/1962 (Januar 1962) der Eisenbahntechnischen Rundschau in einem Artikel von Prof. Otto Sill unter der Bezeichnung "Schnellbahnlinien 1959" und "Aufbauplan 1960" präsentiert. Hier führt der Experte aus, dass durch Schnellbahnbau und Einstellung der Straßenbahn  "dem individuellen Straßenverkehr fühlbar geholfen wird" - es ging also um eine Entlastung des Kfz-Verkehrs durch die angeblich hinderliche Straßenbahn.

Nach wie vor erscheinen die Äste nach Lurup, Niendorf und Billstedt. Bei der Strecke nach Bramfeld hat sich allerdings einiges getan. Sie führt jetzt direkt in die Innenstadt - interessanterweise über Alte Wöhr (S-Bahn) und Saarlandstr (U3) statt über den Knoten Barmbek. Doch immer noch folgt die Linie der Sperberschen Trasse am Osterbekkanal (auf der oberen Zeichnung dunkelgrün). Von den beiden Nord-Süd-Linien "2" und "3" östlich der Alster ist vernünftigerweise nur noch diese eine geblieben.

Die Linie "1" von 1955 (Niendorf - Jungfernstieg - Billstedt) war in noch unveränderter Form über Karolinenstr. enthalten. Ebenso war immer noch eine Verbindung Eimsbüttel - Freihafen vorgesehen, wenn auch jetzt ohne Abzweig über Lappenbergsallee nach Langenfelde. Man konnte also die Straßenbahnlinie "5" dort einstellen und trotzdem die geplante U-Bahn streichen. Der Alsterhalbring war immer noch als 2. Ringlinie Altona - Schlump - Mundsburg - Billhorn - Meßberg - Millerntor - Palmaille - Altona konzipiert und wurde auf dem Abschnitt Altona - Winterhude begleitet durch die Querspange Hohenzollernring - Altona - Schlump - Dehnhaide - Straßburger Str., deren östliches Ende offen gelassen wurde und die auf dem Plan in einer gestrichelten Linie endete. Somit war in der Planung auch immer noch das Gleisdreieck beim Neuen Rathaus Altona vorhanden.

Die Wandsbeker Linie war inzwischen eröffnet und der Bau der Strecke nach Billstedt stand an. Mit der Trasse dieser Linie östlich vom Berliner Tor hatte man keine Sorgen, sie war seit 1918 am Rand des Geesthanges planerisch freigehalten und seit Juli 1943 waren auch die letzten dort stehenden Gebäude zerstört. Diese Route ist in allen Planungen der Vergangenheit sehr konstant gewesen (seit dem Plan "Sperber" und auch z.B. bei K. Gutschow) und genau so wurde die Strecke dann auch gebaut. Nur über die Fortsetzung nach Osten gab es ein paar Planungsvarianten. Nach Westen hin bevorzugten die Planer in der ersten Zeit nach dem 2. Weltkrieg eine Fortsetzung mit der RING-Linie bis Mönckebergstr und von dort eine Ausfädelung etwa über Alstertor zum Jungfernstieg und Richtung Sievekingsplatz - realistischerweise wohl viergleisig zwischen Hauptbahnhof und Mönckebergstr.. Auch mit dieser Abzweigung scheint noch die "Einbahnstraßenregelung" des Gutschow-Planes durch. Ab Sievekingsplatz hätte man dann wählen können. Entweder die liniengenaue Weiterführung nach der Grindelallee und Niendorf oder erstmal die Verbindung über Schlump zur Eimsbütteler Linie, um hier den Direktanschluss mit der Stadt herzustellen, ohne immer erst über Landungsbrücken kurven zu müssen..

Dieser Ausschnitt zeigt in violett, rot und grau die geplanten Linien in der Altstadt. Die von Hellkamp (Eimsbüttel) kommende Linie (hier # 4) sollte also bei Jungfernstieg (ungefähr wie jetzt die Haltestelle der U2) in Richtung Billstedt aufmünden. Die nördliche Fortsetzung der Billstedt-Linie hätte allerdings auch der rot gezeichnete Anschluss (hier # 5) nach Niendorf sein können, so dass die Linien Niendorf - Billstedt und Eimsbüttel - Steinwärder entstanden wären. Die von Altona kommende Linie (hier #3) sollte in Höhe Ernst-Merck-Str am Hauptbahnhof vorbei  Richtung Winterhude und Bramfeld über die Lange Reihe laufen. Sie ist der Vorgänger der lange geplanten U4 der 1980-er und 1990-er Jahre. Die viergleisig geplante Station Messberg sollte die mit der Alsterquerung verbundene Elbrandlinie (hier #6) über Ost-West-Str aufnehmen. Blau ist die schon realisierte tiefliegende U-Bahn Jungfernstieg - Hauptbahnhof-Nord (jetzt U1).  

In dem oben erwähnten Artikel von Herrn Sill als "Bild 27" ist aber bereits die eigentlich vom Aufbauplan abweichende Führung der Schlump - Billstedter Linie über Hauptbahnhof-Nord schon dokumentiert. Dieser Bahnhof ist dort schon so dargestellt, wie er später realisiert wurde. Bekanntlich wurde die jetzt als U2 bezeichnete Linie (global oben in der Skizze die violette Linie # 4) aus organisatorischen Gründen als Durchmesserlinie im Schildvortrieb als Tieflinie über Jungfernstieg und Hauptbahnhof-Nord unter Umgehung des Schwerpunktes Mönckebergstr. konstruiert. So zementierte man mit dieser Linie auch schon die ebenso ungünstige Trasse der "U4" genannten Linie Lurup - Altona - Winterhude - Bramfeld bzw. später zur Sengelmannstr. Wer konnte denn damals ahnen, dass man 2007 für eine ganz andere U4 zur Hafen-City die beiden freien Gleise der Jungfernstieg-Station der U2 benutzen würde?