Straßenbahn-Planung 1949
Angeblich aus der Hamburger Morgenpost von 1950 stammt dieser schon seit Jahrzehnten bekannte Zeitungsausschnitt über geplante Strecken des Hamburger Straßenbahnnetzes. So ist jedenfalls die Herkunft bezeichnet im Stadtteilarchiv Ottensen in Hamburg. Das kann aber nicht die Wahrheit sein, denn in den Mikrofilmen der Morgenpost in der Staatsbücherei Hamburg habe ich diese Graphik im fraglichen Zeitraum nicht gefunden. Als das Abendblatt sein Archiv öffnete, war diese oder eine ähnliche Graphik allerdings auch in jener Zeitung in diesem Zeitraum nicht zu finden. Hier zunächst das Original in schwarz-weiß. Damit die Sache besser zu erkennen ist danach eine farbig unterlegte Graphik
Erst einmal fällt auf, dass die seit 1948 bestehende Strecke nach Bramfeld noch als nicht existent eingezeichnet ist. Andererseits sind einige Strecken als existenz deklariert, die seit 1943 nicht mehr im Linienverkehr befahren wurden (hellblau eingezeichnet) So ist der Zeitpunkt "1950" zumindest zweifelhaft. Oder ist es vielleicht sogar noch ein Plan von vor 1945? Dafür spräche als Indiz nicht nur die Bezeichnung "Altona Hauptbahnhof". Das bis 1943 bestehende Straßenbahnnetz ist in allen Strecken als existent eingetragen. Neue Strecken für den vorhandenen Bestand sollten dabei sein: Holstenwall statt Glacischaussee, aufgewertete Amsinckstr., geradere Strecke im Zuge der Linie [21] von Barmbek nach Rothenburgsort, Durchbruch der Sievekingsallee zur Bürgerweide. Der Alstertunnel war schon seit 1909 geplant. Auch die etwas nördlicher gelegene Ost-West-Straße in der City war schon Planung der Nazizeit. Die Erschließung im nördlichen Stadtpark könnte den dort damals geplanten Sportstätten gelten (heute ist da die City-Nord). Also auch ein Plan aus dem "Büro Gutschow" von vor 1945 könnte passen. Denn auch wenn er selbst dort nicht mehr tätig sein durfte, seine Mitarbeiter waren weiterhin mit der Hamburger Stadtplanung betraut. Des Rätsels Lösung kam dann aber überraschend aus dem VVM-Archiv im April 2024 - glatte 75 Jahre nach der Planung. In einem Paket mit 8 Seiten Text über Linien und Kosten mit der Überschrift "Langfristiger Investitionsplan der HHA" und außerdem drei Plänen über neue Hochbahnlinien, neue Straßenbahnlinien und in Harburg neuen Obuslinien wurde die Basis dieses Zeitungsausschnitts dann deutlich. Es war offenbar eine auf den 20. August (1949?) datierte gemeinsame Planung vom Tiefbauamt Hamburg und der HHA. Dokumentiert ist dies allerdings nur auf dem Plan "Harburg" mit den dort gewünschten Obus-Linien. Für ein Datum im Jahr 1949 spricht allerdings auch, dass die Hochbahnplanungen im Februar 1950 exakt nach diesem Plan im Hamburger Abendblatt veröffentlicht wurden - siehe Hochbahn-Planung 1950 auf dieser Webseite. Im Begeleittext zu den Plänen wurden 100,680 km neue Straßenbahnstrecken aufgeführt, die neu zu bauen wären. Außerdem waren 7,080 km Strecken aufgeführt, die kriegszerstört waren und die wieder eröffnet werden sollten. Ohne Kosten für den Grunderwerb rechnete man global mit 400.000 DM für den Kilometer Straßenbahnstrecke und 30.000 DM für die entsprechende Oberleitung (im Text auch so genannt). Für die Neubaustrecken waren somit 43.290.000 DM veranschlagt, für die kriegszerstörten Strecken 3.010.000 DM. Ob die die Alster überquerende Strecke von der Hallerstaße nach Uhlenhorst als Brücke oder Tunnel realisiert werden sollte, ließ die Linienübersicht offen. Die Frage ist natürlich auch, welche Fahrtdauer für diese teilweise weit in das Umland reichenden Linien eigentlich angenommen wurden. Fünf neue Betriebshöfe sollten 15 Millionen DM kosten und 500 Straßenbahnen als Vierachser mit Beiwagen je 180.000, also insgesamt 90 Millionen DM. Insgesamt war für die Straßenbahn somit ein Investitionsvolumen von 152.300.000 DM vorgesehen. In Harburg sollte als Straßenbahn nur die "33" nach Hamburg verkehren, allerdings bis Meckelfeld verlängert. Der interne Verkehr sollte durch O-Busse erfolgen. 20.900 km neue Strecke war für sie vorgesehen - je Kilometer mit 50.000 DM veranschlagt. 35 Obusse zu je 70.000 DM waren für die neuen Linien geplant. Offensichtlich dauerte es dann ein paar Monate, bis sich die Presse dieser Pläne annahm. Wie mir im Juni 2024 der Fachjournalist Frank Muth mitteilte, identifizierte er im Hamburger Staatsarchiv die Sache. So erschien am 31.1.1950 in der "Hamburger Freien Presse" ein längerer Artikel über die finanziellen Probleme der HHA und darauf fußend am 2.2.1950 eben die besagte Graphik. Ebenso berichtete dann ja auch Anfang Februar 1950 das Hamburger Abendblatt über die Pläne zum Ausbau des U-Bahnnetzes. Die "Hamburger Freie Presse" war ein der FDP nahe stehendes Blatt. Es wurde im April 1946 gegründet und bei Giradet am Gänsemarkt gedruckt. Ab September 1952 nannte sich die Zeitung wieder "Hamburger Anzeiger". Chefredakteur war Alois Winbauer. Die Original-Graphik der Zeitungsveröffentlichung folgt unten ebenso wie die Graphiken der Vereinbarung zwischen der Baubehörde und der HHA. |