Ein Röding soll der junge Hering gewesen sein, der hier angelandet wurde.
Damals, als dort, wo jetzt das Hochbahn-Viadukt steht, noch ein Fleet war und
die Fischerboote dort anlegen konnten. Eigentlich ist "Rödingsmarkt"
eine Straßenbezeichnung. Doch dank der Präsenz der Hochbahnstation glauben
auch viele Hamburger, der Platz um den nördlichen Ausgang der Station wäre der
"Rödingsmarkt". Es ist aber nur die unbenannte Kreuzung der Straßen Rödingsmarkt,
Heiligengeistbrücke, Graskeller, Alter Wall und Gr. Burstah. Doch wenn jemand
in Hamburg "Rödingsmarkt" sagt, so denkt man im Zweifel eben an jenen
verkehrsreichen Platz, an dem auch die gleichnamige Station der Hochbahn ist..
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Bevor um ca. 1620 die Hamburger Neustadt mit ihrem Festungswall (Holstenwall -
G.-Fock-Wall - Esplanade) versehen wurde, endete Hamburg an Alsterfleet. Die
Namen Alter
Wall und Neuer Wall weisen auf die ehemalige Befestigung der Altstadt hin und
der "Neue Wall" zwischen Alsterfleet und Bleichenfleet war eben das,
was sein Name sagt - eine zusätzliche Verteidigungslinie. Der Gr. Burstah führte den Hauptstrom des Verkehrs zum damaligen Ellerntor,
an das noch jetzt die Ellerntorsbrücke erinnert.
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Stadtplanausschnitt nach 1892
Photos der Gleisanlagen vom Rödingsmarkt und Gr. Burstah,
die mir Herr Andreas Pahl freundlicherweise aus seiner Postkartensammlung zur
Verfügung stellte, sehen sie hier.
(5 Photos aus der Sammlung A. Pahl - ein weiteres Photo)
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Der Alte Steinweg bringt schon im Namen seine Verkehrsbedeutung zum Ausdruck. So
wurde dann auch am 15.04.1878 die neue Pferdebahn nach Altona durch diese
Straßen gelegt. In der Altstadt beschrieb die Pferdebahn-Linie zuerst eine Kehrschleife
über Gr. Burstah, hinter der Börse (jetzt Innenhof zwischen Börse und
Rathaus) und Alter Wall. Verschwommen ist diese Trasse auf dem Alter Wall
nebenan als grüner Strich auf dem Plan (ca. 1895) zu sehen. (Da die Strecke
Alter Wall schon 1886 aufgegeben wurde und erst 1908 erneut für
eine Umleitung benutzt wurde, hat hier offenbar der Zeichner vergessen, diese
Linie zu löschen). Ab 1886 ging
es in beiden Richtungen durch den Gr. Burstah, weil hinter der Börse das
Rathaus gebaut werden sollte. Im November 1885 legte man zur Entlastung des Alter Steinweg das Gleis
Richtung Hamburg über die neue Michaelisbrücke und die ebenso neue Heiligengeistbrücke. Nun
konnten auch von Westen kommend Linien am Rödingsmarkt kehren. Die späteren
Linien [15] und [16] nach Eimsbüttel und zur Hoheluftchaussee über Eimsbüttel
machten zuerst davon Gebrauch.
Am 16.09.1887
eröffnete die "Große Hamburg-Altonaer Straßenbahn Gesellschaft" -
die allerdings nur 2 Linien betrieb und auch bald von der Straßen-Eisenbahn
geschluckt wurde - ihre Strecke über die Straße Rödingsmarkt. Im November
1892 schließlich kam die Strecke über Stadthausbrücke und Kaiser-Wilhelm-Str
hinzu, so dass damit das Liniennetz am Rödingsmarkt im Prinzip aufgebaut war.
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Dieser Ausschnitt aus dem Buch von G. Schimpff über die Hamburger Straßenbahn von 1903
zeigt in Tafel 2 im Detail die damals geplanten Gleisanlagen.
So war die Abzweigung in den Rödingsmarkt schon doppelgleisig vorgesehen.
Auffällig ist das auch auf bisher keinem Photo zu sehende Gleisdreieck südlich
der Heiligengeistbrücke. 97 und 74 (Graskeller) bzw. 95 und 75 (Gr. Burstah)
gibt offensichtlich die Stundenbelastung Triebwagen und Beiwagen an.
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Diese und folgende Zeichnungen = Verfasser |
Nach der Jahrhundertwende hatte sich das innerstädtische Liniennetz in seinen
Hauptzügen etabliert. Hauptengpass war der Gr. Burstah. So wurde die
Linie [14] ab 1903 über Dovenfleet geleitet, um diese Straße etwas zu
entlasten. 11 Linien - jede alle 10 Minuten fahrend - und die alle 2 1/2 Minuten
verkehrende Zentralbahn bedeuten 15 Züge je 10 Minuten durch diese Straße,
durchschnittlich alle 40 Sekunden einer. Daher sieht man auf alten Photos auch
eine endlose Schlange von Straßenbahnwagen in dieser Straße.
Somit konnten die Linien [15], [16], [29], [31] und [32] nicht auch noch von
dieser Straße aufgenommen werden. Sie kehrten auf dem rot eingezeichnetem Gleis
auf dem Rödingsmarkt. Dabei mussten sie sich allerdings beeilen, denn viel
Platz zum Verweilen gab es ja nicht. Wie man auf Photos sehen kann, holte das
Kehrgleis etwas nach rechts aus, überkreuzte das Streckengleis Richtung Gr.
Burstah und führte dann in den Graskeller, um auch entsprechenden Radius zu
haben.
Ob die Strecke über die Straße Rödingsmarkt in dieser Zeit ein- oder
zweigleisig war, ist noch nicht gewiss. Anzunehmen ist aber Zweigleisigkeit nach
der eindeutig eingleisigen Abzweigung.
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Bei einer größeren Linienumstellung am 19.10.1905 entschloss sich
die Straßen-Eisenbahn Gesellschschaft, einige der Kehrlinien vom Rödingsmarkt
abzuziehen. Linie [25] wurde mit Linie [29] "verbunden" (so hieß es
stets beschönigend in den Senatsprotokollen) und Linie [22] mit der [32]. Im Spätdienst fuhr
Linie [22] in 2 Sektionen - die eine über Steinwege statt wie sonst
Landungsbrücken nach Hamm und die andere nach Bahrenfeld über eine Schleife
Millerntor - Rödingsmarkt - Landungsbrücken. Dazu muss es dann eine
Gleisverbindung gegeben haben (violett eingezeichnet), von der ich allerdings
noch kein Photo fand. Mit den 7 Linien [1], [2], [11], [17], [18], [19] und [28] war die Strecke
über die Poststr. zwar stark belastet, aber eben doch nicht so stark wie der Gr.
Burstah. Trotzdem hatte man dort im Jahre 1900 eine Ausweichstrecke Richtung
Gänsemarkt über den Jungfernstieg gebaut. Im Burstah quetschten sich die Wagen noch
in beiden Richtungen durch den Verkehrsengpass. Zum Glück hatte man die Straße
nach dem Brand von 1842 doch so großzügig wieder aufgebaut, dass dieser stark
angewachsene Verkehr noch so eben dort hindurchging. Eine Ausweichstrecke über
den Alten Wall wollte man nicht. Diese Straße sollte "geschont"
werden.
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Die Gr. Johannisstr, die Verlängerung der wichtigen Verbindung über den Gr.
Burstah in Richtung Rathausmarkt, war ab 01.02.1908 unterbrochen, um Baufreiheit
zu haben für die Hochbahnlinie. Die Linien [4], [6] und [13] wurden dann
doch über Alter Wall umgeleitet und die [7] tauschte mit der [9], die ebenfalls
über Alter Wall fuhr. Auch Linie [22] bediente nicht mehr Ferdinandstr und
Hansaplatz, sondern begleitete die [24] über Messberg und Spaldingstr. nach
Hamm (siehe auch paralleles Kapitel über "Hopfensack und Pumpen").
Diese Umleitung bestand bis zum 08.04.1909. Wie die Gleise verlegt waren, ist nicht genau beschrieben. Die mittelblau
angedeutete Trasse für die Linien [4], [6] und [9] sowie [22s] wäre am
einfachsten. Die Sonderlinie [22] wurde eingerichtet, um die vorher von dieser
Linie bediente Relation aufrecht zu erhalten. Für Linie [13] wurde eigens eine Verbindung vom Graskeller in Alter Wall geschaffen
- wie ein Photo zeigt (oben bei "Klick hier" können Sie es sehen).
Dies Gleis ist auf der Skizze nebenan grün eingezeichnet.
Der
Gleiswechsel im Graskeller ist schon auf einer Postkarte von 1899 zu sehen und
diente offenbar anderen Zwecken.
Die violette Kehrkurve für die Spätlinie [22] war offenbar ab dieser Zeit
nicht mehr in Gebrauch. |
Dieses Photo zeigt die im Gleisplan 1908 beschriebene
Situation. Geradeaus (in Fahrrichtung der Linie [13]) blickt man in die Straße
Graskeller. Von links sieht man das Kehrgleis um die Bier-Quelle und den Laden
von F. Dreyer. Unter dem dem Vordergrund zustrebendem Pferd liegt das Gleis von
der Michaelisstr. zum Alten Wall. Vom Gleiswechsel im Graskeller ist nach diesem
Photo von J. Hamann nur noch die nach rechts führende Weiche vorhanden.
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Mit dem Bau der Hochbahn waren natürlich einige Umbauten verbunden. So
kam als wichtigster Punkt ab 07.12.1912 (Zentralbahn 11.12.1912) doch noch eine Entlastungsstrecke für den Gr. Burstah.
Sie führte zwar nicht über Alter Wall, sondern etwas kurvig über Adolphsplatz
und Mönkedamm. Nur die Linien [7] und [37] fuhren noch einige Jahre auch in
Richtung Landungsbrücken über den Gr. Burstah, weil sie bei der
Hochbahnstation scharf links abbogen.
Auch das Kehrgleis holte nicht mehr so weit aus und nur noch 2 Linien endeten
am Rödingsmarkt, die verkürzte [22] und die [31]. Linie [16] war eingestellt
und Linie [15] fuhr weiter bis zum Mühlenkamp. Für die Oststrecke der [22]
war die [37] eingesetzt worden. Linie [1] hatte mit der [6] und Linie [17] mit
der [13] ihre westlichen Endpunkte getauscht, doch ansonsten sieht man
hauptsächlich altbekannte Linien.
Das violett eingezeichnete Schienenstück dürfte ohne Linienverkehr gewesen
sein und ob die Kurve noch bestand, die 1905 von der [22spät] genutzt worden
war, ist ungewiss. Dennoch ließ man die zur Zeit unbenutzten Gleise liegen. Bei
nötigen Umleitungen erweis sich das später als sehr vorteilhaft - so z.B. vom
18.07. 1922 bis 06.08.1922, als im Mönkedamm Gleisbauarbeiten nötig waren
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Mit der Verstärker-Linie der [7] in der werkt-HVZ ab 25.06.1924 und ab
17.07.1924 der [40] an den Nachmittagen werktags tauchen zum ersten Mal am
Rödingsmarkt Linien auf, die ihn von Osten zum Kehren ansteuern. Dazu diente
ein neues Gleis in der Admiralitätsstr. Ab 23.12.1924 (Quelle
= H. Hoyer) nutzten auch die aus der Kaiser-Wilhelm-Str. und
Stadthausbrücke kommenden Linien dann auch für ihren regulären Weg zum Gr.
Burstah dieses Gleis. Die Strecke über Graskeller wurde somit nur noch in
Richtung Norden befahren, so dass das blau gezeichnete Gleis ohne Linienverkehr
war.
Neu war dann auch ab 16.05.1925 die Route der [24]. Werktags abends und
sonntags endete ihr Weg aus Eppendorf bereits am Rödingsmarkt. Sie kehrte über
die auch von der Linie [25] benutzten Schleife und über Graskeller wieder zur
Stadthausbrücke.
Ab 23.10.1924 fuhr auch Linie [7] brav mit den anderen Linien über
Mönkedamm in Richtung Rödingsmarkt. Das violett gezeichnete Gleis im Gr.
Burstah war daher von dann an ohne Linienverkehr, blieb aber noch betriebsbereit
und wurde vom 06.10.1926 bis 22.02.1927 benutzt, als die Bahnsteige der
Hochbahn-Station Rödingsmarkt für den Halt von Zügen mit 6 Wagen verlängert
wurden (vorher nur 4 Wagen-Züge möglich) und der Mönkedamm erneut gesperrt war.
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Im Januar 1944 tauchte als erste Straßenbahn nach den Zerstörungen vom Juli
1943 am Rödingsmarkt die Linie [31] wieder auf. Sie fuhr nicht mehr wie vorher
über Steinwege, sondern über Landungsbrücken. Dabei blieb sie dann auch, als
sie 1955 mit der Verlängerung nach Lurup in [1] umbenannt wurde.
Der Südteil der Neustadt zwischen den Steinwegen und der Elbe war nahezu
völlig zerstört. Hier wollte die HHA erst mit dem Bau der sog. Ost-West-Str.
durch die Neustadt eine Straßenbahnverbindung wieder herstellen. Doch nördlich
der Steinwege standen die Gebäude zum großen Teil noch und so kam am 01.05.1951 -
gut 8 Jahre nach den Zerstörungen - mit der Linie [6] über Kaiser-Wilhelm-Str.
und Stadthausbrücke wieder eine weitere Linie hier an. Außerdem diente "Rödingsmarkt"
auch als Kehrschleife für Verstärkerzüge - aber nur noch in Richtung Osten
und nach Süden (Linie [14]).
Es dauerte bis zum 28.10.1952, bis nach 9 Jahren Pause wieder eine
Straßenbahn über die Steinwege gelangte. Linie [6] nahm diesen Weg unter die
Räder, über Stadthausbrücke fuhr seitdem die [7].
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Ab 17.05.1955 kam die [5] von der Stadthausbrücke, die [7] fuhr mit der [6]
über die Steinwege-Strecke. Die [31] hatte ab 29.10.1955 den Namen [1]
angenommen.
Obwohl so geplant, folgte die Straßenbahn doch nicht der neuen Ost-West-Str
(jetzt L.-Erhardt-Str.), sondern sie wurde ab 03.08.1957 in beiden Richtungen
über die Steinwege gelegt. Über Düsternstr. erreichte die Strecke dann die
Michaelisbrücke.
Am 01.01.1960 wurde Linie [5] eingestellt und die Strecke über
Kaiser-Wilhelm-Str und Stadthausbrücke war über 3 1/2 Jahre ohne Betrieb. Erst
ab 07.10.1963 mit den Verstärkerwagen und ab 27.10.1963 generell benutzte Linie
[11] wieder diese Route.
Der Knotenpunkt Rödingsmarkt bot neben den linienmäßig durchgehend befahrenen
Strecken weiterhin zusätzlich Kehrmöglichkeiten aus Richtung Gr. Burstah und aus
Richtung Landungsbrücken (z.B. für Verstärker der [14] bis Juni 1960).
Mehr als vier Linien verkehrten nach dem Zweiten Weltkrieg nie über den
Gr. Burstah. Das hatte sicher auch damit zu tun, dass seitdem der Wert der
Geschäftslage Gr. Burstah deutlich gefallen war. Der Gr. Burstah machte einige
Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg einen eher vernachlässigten
Eindruck.
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Auch dieser Kartenausschnitt mag einiges aus der Endphase verdeutlichen: Noch
lagen die Gleise in Richtung Westen im Graskeller. Die Strecke durch die
Neustadt führte auf diesem Plan zwar schon in beiden Richtungen über die
Steinwege, aber in Richtung Mönckebergstr. über Michealisbrücke.
Vom Baumwall kommend konnten die Bahnen kehren über Graskeller und
Heiligengeistbrücke. So hätte man auch von der Mönckebergstr kommend kehren
können (Zufahrt über Mönkedamm, Rückfahrt über Gr. Burstah).
Beachtenswert ist aber das zusätzliche Kehrgleis mit engem Radius
direkt unter der Hochbahn-Station Rödingsmarkt, das die Fahrt über Graskeller
und Michelisbrücke abkürzen würde. Von wann bis wann dieses Gleis dort
existierte ist mir bisher noch nicht klar. So ganz vollständig ist die
"amtliche" Gleisanlage nicht gezeichnet. Es fehlt die Hleisverbindung
von der Heiligengeistbrücke zur Kehrschleife unter dem Bahnhofseingang der
Hochbahn und natürlich von der Strecke Mönkedamm zum Rödingsmarkt (siehe auch
Graphik zu 1965)
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Am 30.05.1965 wurde der Straßenbahnverkehr über Alter Steinweg und Neuer
Steinweg eingestellt. Die zentrale Hauptverkehrsstraße durch die Neustadt über
Großneumarkt und an der Michaeliskirche vorbei war so ohne Bahnanschluss.
Bis 30.06.1973 bedienten die Linien [1] und [7] über Landungsbrücken und
[11] über Sievekingsplatz den Rödingsmarkt. Vom 30.05.1970 bis 22.05.1971
begann zusätzlich jeder 2. Kurs der damals wieder neu installierten Linie [12]
nach Wilhelmsburg am Rödingsmarkt und nach wie vor war hier eine Wendeplatz in
Richtung Osten (und Süden) für Verstärkerfahrten.
Linie [11] fuhr zuletzt (siehe rote Linie) in beiden Richtungen über
Admiralitätsstr. Durch den Umbau der Schleuse und den Bau der City-S-Bahn brauchte man Platz beim
Graskeller. Die violett gezeichneten Gleise entfielen und wurden durch die
rot und blau gezeichneten Verbindungen ersetzt.
Am 30.06.1973 wurde auch die Strecke über die Straße Rödingsmarkt für die
Linien [1] und [7] abgeschnitten.
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Der 29.06.1975 beendete den Straßenbahnverkehr am Knotenpunkt Rödingsmarkt.
Dafür wurde im gleichen Juni 1975 die Station "Stadthausbrücke" der
City-S-Bahn eröffnet. |
Horst Buchholz * 05.09.2007 und 27.12.2008 - mit Dank an ergänzende
Informationen von Günter Wolter und Ingo Mecker
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